Mathilde Möhring gilt in der Forschung als der modernste Roman Fontanes. Diese Ausnahmeerscheinung verdankt das Werk vor allem dem Thema der Frauenemanzipation. Im Mittelpunkt des unvollendet gebliebenen Romans, an dem Fontane bis 1896 gearbeitet hat, steht eine selbstbewusste und selbstbestimmte junge Frau, die schon von der zeitgenössischen Literaturkritik als eine eher untypische Fontane-Frauenfigur charakterisiert wurde. Vergleicht man jedoch Mathilde Möhring beispielsweise mit Sibilla Dalmar, dem gleichzeitig entstandenen Roman der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, muss die bisherige literaturwissenschaftliche Einschätzung des Fontane-Romans in Frage gestellt werden.
In ihrem illustrierten Vortrag wird Gabriele Radecke ihre Neuinterpretation vorstellen und dabei auch die bislang weniger beachteten Textentwürfe Fontanes berücksichtigen.
Dr. Gabriele Radecke, die das Literaturarchiv der Akademie der Künste in Berlin leitet, hat Mathilde Möhring im Rahmen der Großen Brandenburger Ausgabe erstmals vollständig nach der Handschrift ediert.